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Geboren in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre, mitten hinein in eine gutbürgerliche Bremer Familie: Fürsorgliche, aber - jedenfalls aus meiner Sicht - gelegentlich zu kühle Eltern, ein
- manchmal - zickiger, sonst - meistens - netter “großer Bruder” ... dann gab es noch eine leidende aber vielleicht gerade deshalb sehr faszinierende Großmutter (schön, bettlägrig, geheimnisvoll und früh
verstorben), einen Zigarrenduft-umwehten, sehr warmherzigen Großvater (dem ich denn auch folgrichtig mit sieben meine erste Cigartette stahl), eine sehr mondäne, häufig verheiratete und von mir sehr bewunderte
Patentante ... und dann die Verwandten auf dem Land: der gemütlich-schüchterne Großvater, der neben seiner herrischen Gemahlin immer sehr blass wirkte, die skurrile, weit verzweigte Mischpoche aus dem großen
Moor zwischen Ottersberg und Völkersen im Niedersächsischen, die feinen Elmenthalers aus Hamburg-Blankenese... langweilig waren sie alle nicht. Ungewöhnlich schon eher.
Als selbstverständlich verschrobenes Kind war ich manchmal sehr einsam, trotz der vielen Menschen um mich herum und habe am ehesten meinem freundlichen Hund die kleinen Alltagsgeheimnisse
anvertraut (auf schlechte Noten in Mathematik und Französisch reagierte er stets mit viel Mitgefühl und einem unverbrüchlich treuen Blick. Diese einzigartige Herzensgüte vermisse ich noch heute gelegentlich).
Der drohenden Einschulung sah ich mit eher bangen Gefühlen entgegen, aber die verheissungsvolle Aussicht, dort in dem schicken Gebäude lesen lernen zu dürfen, hat mich dann doch dorthin verschlagen. Denn
gelesen habe ich immer schon leidenschaftlich gern (das imposante Portrait von Thomas Mann weist nebenstehend schon einmal auf mein großes Idol hin). Ich war ein eher mittelmäßiger Eleve: Spätestens im Gymnasium
habe ich die Naturwissenschaften als ebenso unnütz wie unverständlich abgetan und den demütigenden Sportunterricht (erwähnte ich schon, dass ich ein wenig pummelig war?) habe ich vom ersten bis zum letzten
Schultag gehasst! Die “Trainer” (Pädagogen waren das wirklich nicht) mit ihren unsäglichen Drillmethoden hatten es allerdings auch nicht besonders leicht mit mir, weil ich stets versuchte, ihnen mit meiner
ganz speziellen Arroganz ihr selbstgefälliges, an dämlichen Fußbällen orientiertes armseliges Dasein jeweils für 45 Minuten zur Hölle zu machen. ...
Trotz aller Widrigkeiten: 1977 hielt ich ein mittelmäßiges Reifezeugnis in der Hand. Lange Jahre des Studierens folgten: Zunächst ein wenig Kunstgeschichte in Göttingen, dann Architektur und
Baugeschichte in Hamburg (schmählich endend mit der bitteren Erkenntnis, dass Statik und Baukonstruktion nicht unbedingt zu meinen Stärken zählen) und dann schließlich Geschichte, Kulturwissenschaften und
Germanistik in Bremen. Diese Jahre habe ich genossen: Anregungen aus der Antike und der Weimarer Zeit, Literatur in Hülle und Fülle und aus allen Epochen, Filmgeschichte (da konnte ich sogar meine Leidenschaft
für die “Sissi”-Filmtrilogie in einer bahnbrechenden Klausur verarbeiten. Meine These, dass die Erzherzogin Sophie die eigentliche “männliche Hauptrolle verkörpert, wurde immerhin lebhaft diskutiert!).
Studienreisen nach Köln und Berlin, in die Niederlande, nach Österreich und Italien brachten nicht nur spannende Erkenntnisse, sondern machten auch unglaublich viel Spass. Professoren wie Hans Kloft, Karl Holl und
besonders mein späterer Doktorvater Hanjo Steinberg waren nicht nur brillante Lehrer, sondern wurden auch zu guten Freunden in diesen Jahren. 1989, während in Berlin die Mauer zusammenfiel, schrieb ich
schließlich meine Examensarbeit. Beides eigentlich durchaus historische Ereignisse...
Ein Volontariat im Historischen Museum / Morgenstern-Museum in Bremerhaven schloss sich an, aber ich wollte noch mehr: Meine Biographie des jüdischen Reichstagsabgeordneten Dr. med. Julius
Moses (1867 bis 1942) führte schließlich zur “summa cum laude”-Promotion.
Fortsetzung folgt. ...
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